Prolog

Als ich im Sommer vom Hochwasser davon abgehalten wurde, meine Durchquerung Skandinaviens auf sinnvolle Weise fortzusetzen, kam mir ein Gedanke: Wenn das Wasser nicht so flüssig wäre, könnte man da überall prima drüber laufen. So entstand die Idee, Skandinavien im Winter zu durchqueren. Und ganz nebenbei wurde ich natürlich auch von der romantischen Vorstellung motiviert in einer gemütlichen warmen Hütte irgendwo in der Einsamkeiten zwischen ein paar Nadelbäumen und dem glitzernden Schnee das Polarlicht zu genießen. Der Start der Tour sollte bereits drei Monate später stattfinden. Am Anfang der Planung hatte ich keine Idee für die Route, hatte den Begriff Pulka noch nie gehört und besaß auch keine geeignete Skitourenausrüstung noch Erfahrung für mehrtägige Skitouren in Skandinavien. Also es waren bereits die idealen Voraussetzungen für ein großes Abenteuer gegeben.

Neben der Routenplanung stand der Bau der Pulka im Fokus der Vorbereitungen. Mein Begleiter, der nach dem Pinguin Cody benannt ist, musste erst zum Leben erweckt werden. Gar nicht so einfach eine Pulka für alle Situationen vorzubereiten, wenn man noch nie eine benutzt hat. Etwas Kreativität und die fachmännische Beratung unseres Mechanikers Louis brachten jedoch einen ganz brauchbaren Gefährten hervor.

Es kam wie erwartet – alles anders. Dünnes Eis, heftiges Schneetreiben, geringe Sicht, aus dem Nichts auftauchende Schneewächten, die man erst erkennt, wenn man sie hinab fällt, Regen, Overvann, offene Wildbäche waren nur ein paar der Herausforderungen. Cody riss sich ein paar Mal seinen Bauch auf und bekam bald Metallprothesen. Nassschnee-Anhaftungen auf Cody´s Unterseite erhöhten die Zugkraft derart, dass einige Alu-Karabiner des Zuggeschirrs versagten und Metallösen zersprangen. Irgendwann lernte wir immer besser damit umzugehen und bald konnten Cody und ich auch schon einmal in voller Fahrt eine Schneise durch einen Wald aus kleinen Bäumen pflügen ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren (Sarek Nationalpark). Der Umgang mit dem GPS bei 0 Meter Sichtweite im Nebel wurde mit der Zeit so gut, dass wir auch sicher um Turbineneingänge in Stauseen und tiefhängende Hochspannungsleitungen unter Schneewächten metergenau herummanövrieren konnten (südlich von Haukeliseter). Aber dann, die Hauptwintersaison der Skandinavier um Ostern war gerade erst vorbei, kam der Endgegner: der Klimawandel. Binnen eines Tages sprangen die Temperaturen von -10°C auf +20°C – und das 200 Kilometer nördlich des Polarkreises. Dem Schnee konnte man beim Schmelzen zusehen. So wurde es eigentlich unmöglich die restlichen 700 Kilometer zum Nordkap zu gehen – eigentlich. Doch auch der Endgegner wurde am Schluss mit Technik und Willenskraft in die Knie gezwungen. Und auch ein Sturm am letzten Tag vor dem Nordkap konnte uns, den dicken Plastikpinguin und mich, nicht mehr aufhalten. Dann trennten sich unsere Wege – für immer.